277 Adivasi-Dörfer in Indien sollen dem Polavaram-Projekt weichen. Bericht aus dem Jahr 2005
Aktuelle Informationen: siehe Adivasi-Rundbrief 59
Das Projekt im Überblick
… warum der Widerstand gegen diesen Staudamm?
Vor allem die Adivasis, ohnehin seit Jahrzehnten vertrieben und benachteiligt (Besetzung des Landes durch Großbauern von außerhalb, Raubbau des Waldes), sind betroffen. Sie haben kaum eine Lobby, jedoch das Gesetz auf ihrer Seite: Im Artikel 5 der Verfassung (73. Änderung) wird ihnen zugesichert, dass das geschützte Land für Projekte dieser Art nur mit Einverständnis der Bevölkerung genutzt werden darf. Im Polavaram-Gebiet wurde dieses Einverständnis nie eingeholt. Internationale Aufmerksamkeit könnte den Adivasis zu ihrem Recht verhelfen oder, falls das Projekt nicht zu verhindern ist, zumindest die katastrophalen Folgen etwas mildern, indem etwa eine erhöhte Entschädigung gewährt wird. Außerdem versinkt im Stausee eine einmalige Naturlandschaft mit schützenswerter Flora und Fauna. Die ökologische Veränderung der Region ist noch nicht absehbar, aber mit Sicherheit sehr intensiv.
Godavari-Staudamm
Dieser soll bei Polavaram im East Godavari District, Andhra Pradesh, errichtet werden. Ein 1.600 Meter breiter Damm mit 50 Metern Höhe sichert das Staubecken, das ein Volumen von 2.130 Kubikmeter haben soll. 560 Meter davon beträgt die nicht überflutbare Staumauer mit 58 Meter hohen Sockeln für Generatoren. Zwei Hauptkanäle (208 km und 174 km lang) verbinden das Krishna-Kanalsystem und führen bis Vijayavada. Die Bauzeit soll 12 Jahre betragen.
Godavari-Stausee
Bis Bhadrachalam (Khammam District) soll der Rückstau reichen. Am Flussbett gelegene Gebiete, ebenfalls aber auch jene in den Seitentälern (am Sabari bis nach Madhya Pradesh und Orissa) und jene in Niederungen, werden überschwemmt. Die folgenden Zahlen der Regierung sind eher günstig berechnet.
Fläche: 63.691 ha (davon 3.705 ha Wald; 30.650 kultiviertes Land; 12.688 ha nicht landwirtschaftlich nutzbares Land; 16.648 ha Flussbett)
Menschen: 250 Dörfer (die Presse spricht von 275 bzw. 283); 16.207 Familien, d.h. 144.812 Personen (Presse: bis zu 200.000 Personen). Der Großteil der Bevölkerung sind Adivasi vom Volk der Koya.
Gebäude: 1.405 feste Häuser; 2.300 teilmassive Häuser; 19.390 Hütten (letztere sind überwiegend von Adivasis bewohnt). Hinzu kommen diverse Tempel und kulturell schützenswerte Gebäude
Finanzierung
Das Projekt soll rund 135 Mrd. Rupien (2,6 Mrd. Euro) kosten. Als Entschädigung für Häuser sind gemäß Angaben Betroffener 10.000 Rs. (188 Euro) vorgesehen. Für die Umsiedlung und für Entschädigungen soll fast die Hälfte des Geldes eingesetzt werden.
Umsiedlung
Die betroffenen Dörfer sollen im Nahbereich umgesiedelt werden. Es werden unter anderem Häuser und Land in Aussicht gestellt. Allerdings: Wer die Umgebung kennt, weiß, dass dort entweder schon alles besiedelt ist oder aber der geschützte Wald gerodet werden müsste.
Geschichte
Schon die Engländer planten einen solchen Stausee. In den 1980er Jahren wurden wiederum Pläne gemacht, die jedoch am Geld und politischen Interessen scheiterten. Der Planung liegt eine Studie von 1999 zugrunde. Das Oberste Gericht von Andhra Pradesh hat Ende Oktober 2005 grünes Licht zum Baubeginn gegeben. Die Menschen sind nicht oder wenig informiert. Der Widerstand beginnt erst langsam: Durch die Betroffenen, unterstützt von der Kommunistischen Partei (CPI ) und seit Ende Oktober 2005 durch die Aktivistin Medha Patkar als Anführerin der Bewegung Narmada Bachao Andolan (NBA). Auch einige Kulturverbände erheben Einspruch wegen der Zerstörung alter Tempel. Von einer internationalen Aufmerksamkeit ist bisher nichts bekannt. Vor allem der Bundesstaat Andhra Pradesh treibt das Projekt voran.
Hermann Brünjes (HBruenjes@t-online.de) 07.11.05
Quelle: National Development Agency (https://nwda.gov.in) und verschiedene Zeitungs- und Augenzeugenberichte
Das Projekt im Detail
Wir befinden uns im Bundesstaat Andhra Pradesh am Unterlauf des Flußes Godavari, einem der großen Ströme Indiens. Im Osten, dort wo die Berge eine letzte Enge bilden, 15 km vor der Großstadt Rajamundhry im East Godavari District, nahe dem Ort Polavaram , soll ein riesiger Staudamm gebaut werden. Ein 1.600 m breiter Damm mit 47 m Höhe sichert das Staubecken (2.130 m³). 560 m davon beträgt die nicht überflutbare Staumauer mit 58 m hohen Basisstationen für die Generatoren zur Energiegewinnung. Zwei Kanäle sollen gebaut werden: Der rechte Hauptkanal verbindet den Godavari mit dem Kanalsystem des Krishna und führt bis Budameru nahe der Großstadt Vijayawada. Dieser Kanal soll 174 km lang und teilweise 80 m breit sein. Er soll so viel Wasser aufnehmen, daß er sogar für Frachtschiffe schiffbar wird. Der linke Hauptkanal mit seinen 208 km soll vor allem der Bewässerung der nördlichen ländlichen Gebiete und der Küstenregionen dienen und Trinkwasser liefern. Durch eine Verbindung mit dem Yeleru-Kanal soll er außerdem Wasser für die Industrieanlagen dieser Region liefern. Die Laufzeit des Projektes soll 12 Jahre betragen. Man verspricht sich die Gewinnung neuer Ackerflächen (29.100 ha), Versorgung der bestehenden Landwirtschaft mit Wasser, Trinkwasserversorgung für ca. 285.000 Menschen, Wasserversorgung für Industrie und Großstädte (z.B.Vishakapatnam), Stromerzeugung (960 MW) und neue Verkehrswege.
Die Entstehung
Obwohl international bisher kaum wahrgenommen, bestanden Pläne für einen großen Staudamm schon seit über 25 Jahren. Wiederholt wurden diese unter verschiedenen Namen diskutiert (Indirasagar, Godavari Srijala Sravanti, Sriramapada Sagar). Nachdem die Kongress-Partei im Mai 2004 im Bundesstaat Andhra Pradesh wieder den Regierungsauftrag bekam, wurden die Pläne gemeinsam mit 26 anderen Projekten zur Wasserversorgung wieder hervorgeholt und deren Umsetzung beschlossen. Beim Polavaram -Projekt wurde sogar mit dem Bau am rechten Kanal begonnen, obwohl die Genehmigungen noch nicht vorlagen. So verhängte der Oberste Gerichtshof von Andhra Pradesh einen Baustopp. Ende Oktober 2005 wurde dieser wieder aufgehoben, da die geforderten Gutachten angeblich vorlagen. So verkündete der Ministerpräsident R.Reddy am 27. Oktober 2005 der Presse, dass alle Hürden für das Projekt genommen seien. Die Kanalbauten gehen seitdem weiter.
Die Finanzierung
Die Regierung schätzte die Kosten des Projektes zunächst auf 2,131 Mrd. US-Dollar, der Ministerpräsident nannte kürzlich die Summe von 4,590 Mrd. US-Dollar und kritische Untersuchungen (z.B. der Bericht der Nichtregierungs-Organisation Samatha) sprechen von bis zu 50% Kostenübersteigung wie bei solchen Projekten üblich. Die Finanzierung ist offenbar alles andere als gesichert. Andhra Pradesh sucht immer noch ausländische Geldgeber. In Indien selbst werden Kredite mit mindestens 7%, meist jedoch 12% verzinst. Allein um die Zinsen zu zahlen, müsste die Regierung einen jährlichen Betrag einsetzen, der dem Haushalt des Bildungs- und Gesundheitswesens entspricht – bei einer äußerst knappen Finanzlage dieses Bundesstaates. Im Frühjahr bereiste eine Delegation aus der Landeshauptstadt Hyderabad Europa und versuchte, Geldgeber zu finden. Angeblich soll eine österreichische Bank mit einer Kredithöhe von 4,9% und der Zusage der Mitarbeit am Projekt gewonnen worden sein. Recherchen dazu in Österreich verliefen jedoch negativ. Auch die Weltbank hat offenbar noch keine Mittel zugesagt. So bleibt die Finanzierung eine der Achilles-Fersen des Projektes – was die indische Bundesregierung nicht davon abhält, mit dem offenbar auch als Prestigeprojekt angesehenen Polavaram -Projekt zu beginnen.
Der Stausee
Erschreckend, wie wenig die ersten Konzepte der von der Regierung eingesetzten National Water Development Agency [oberste Behörde zur Entwicklung der Wasserressourcen] über die Folgen des entstehenden Stausees hergeben. Auf der mitgelieferten Karte ist dieser See nicht einmal ausgewiesen. Immerhin werden ein paar Zahlen genannt. Danach sollen 63.691 ha überschwemmt werden. Davon sind 3.705 ha Wald, d.h. der Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen wird vernichtet, das ohnehin in Indien durch Raubbau des Waldes zerstörte Ökosystem wird weiter belastet und die Adivasis verlieren noch mehr von ihrem ursprünglichen Lebensraum.
Hinzu kommen 30.650 ha kultiviertes Land. Dieses ist zumeist in Händen von Großgrundbesitzern, die dort zum Teil in der zweiten oder dritten Generation leben und deren Eltern oder Großeltern es sich meist widerrechtlich von den Adivasis angeeignet haben. Letzteres ist auch der Grund, dass sie nun der Regierung nicht widerstehen können, da zumeist keine gültigen Besitzurkunden vorliegen. Dennoch ist damit zu rechnen, dass diese Farmer am großzügigsten entschädigt werden, da sie in der Regel über gute Beziehungen zu den Behörden verfügen. Der Verlust dieses Landes trifft die Adivasis jedoch heftig: Sie verlieren landwirtschaftliche Fläche, auf der sie Arbeit finden und sie verlieren das rechtlich ihnen zustehende Land, auf dem sie in kleinen und großen Dörfern zuhause sind.
12.688 ha sind nicht kultivierbares Land. Viele dieser Flächen sind jene, die von den Adivasis für ihre nur während der Regenzeit gedeihenden Felder mit Hirse und anderen Trockenfrüchten genutzt werden. Dazu gehören dann auch jene oft bis in die Berge hinein reichenden Flächen, die wegen des wertvollen Holzes einst ausgebeutet und nun nur noch mit Baumstümpfen, Gestrüpp und trockenem Gras bewachsen sind. Immerhin dienen gerade diese Flächen den Adivasis als Weidefläche für ihre Rinder, Schafe und Ziegen. Der Rest, 16.648 ha, betrifft das Flussbett. Vom Fluss selbst profitierten bisher vor allem die Fischerfamilien, die gemäß ungeschriebenem Recht als einzige den Fischfang betreiben dürfen. Ein See würde ihnen wohl auch Möglichkeiten eröffnen, die Adivasis jedoch werden, entgegen den Verlautbarungen der Regierung, daran nicht teilhaben, da sie solche alten Rechte auf Lebensgrundlagen respektieren. Da der See sich über einen Nebenfluss des Godavari, den Sabari, bis in die Nachbarstaaten Orissa und Chhattisgarh erstreckt, wurden mit deren Regierungen bereits Vereinbarungen ausgehandelt, die hohe Entschädigungen, Stromlieferungen und Wasserversorgung beinhalten. Bei einer 47 m hohen Staumauer ist damit zu rechnen, dass der See sich bis nach Bhadrachalam erstreckt und insgesamt 5,5 Mrd m³ Wasser enthält. Somit würde er über 150 km lang sein und sich zudem in viele durch Nebenflüsse und –bäche entstandene Täler erstrecken. Vor allem das Tal des Sileru mit weiten Ackerflächen und vielen Dörfern würde überschwemmt werden. Wenn stimmt, was Gerüchte verbreiten und was selbst in dieser Region schon bei kleineren Projekten kalkuliertes Vorgehen war, soll die Staumauer nachträglich noch erhöht werden. Dies würde weitere Flächen überschwemmen.
Umsiedlungen
In den letzten 50 Jahren wurden durch Staudammprojekte weltweit 40-80 Millionen und in Indien 16-38 Millionen Menschen (schätzungsweise) aus ihrer Heimat vertrieben. Selbst wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung insgesamt akzeptabel wäre – noch nie sind die Zusagen der Regierungen wirklich eingehalten worden. Adivasis und Dalits in Indien machen nur 8% der Bevölkerung aus und sind meist die Ärmsten der Armen. Bei Projekten wie diesem jedoch müssen sie zu über 60% die Folgen tragen. Die Zahlen der Menschen, die für das Polavaram -Projekt umsiedeln müssten, schwanken sehr. Die Regierung spricht zuletzt (Bericht vom September 2005) von 177.275 Menschen in 277 Dörfern (Zählung 2001, also ist das Bevölkerungswachstum nicht berücksichtigt); Pressemitteilungen und kritische Recherchen nennen bis zu 200.000 Menschen in 283 Dörfern, die umgesiedelt werden müssten. Dabei sind nur jene aufgeführt, die Haus, Hof und Land verlieren. Insgesamt werden durch das Polavaram -Projekt 81.722 Adivasis (52,9%) und 15.757 Dalits (10,2%) umgesiedelt, also sogar mehr als bei anderen Staudammprojekten.
Die Besitzer von 1.405 feste Häuser sollen entschädigt werden. Es ist davon auszugehen, dass diese vor allem reichen Leuten und eventuell Institutionen gehören. 2.300 Häuser sind teilmassiv. Auch sie werden vor allem gut gestellten Familien zuzurechnen sein. Darüberhinaus müssen 19.390 Hütten aufgegeben werden. Diese, also der weitaus größte Teil, sind primär von Adivasis bewohnt. Das größte der umzusiedelnden Dörfer ist Chintur mit 36.769 Einwohnern.
Angeblich soll mehr als die Hälfte der Kosten auf die Umsiedlung und Entschädigung der betroffenen Bevölkerung entfallen. Der Ministerpräsident spricht von einer noch nie da gewesenen großzügigen Entschädigung. Betroffene allerdings erzählen, dass sie für ihre Hütte (sie nennen es Haus!) mit dem Grundstück lediglich 10.000 Rupien (knapp 200 €) bekommen sollen. Doch selbst wenn die Entschädigungen angemessen wären – wohin sollen die Menschen umsiedeln? Angeblich sind schon Pläne vorhanden. Danach sollen die Dörfer komplett in ortsnahe Gebiete umgesiedelt werden. Ich kenne die Gegend sehr gut und habe sie vor Jahren mangels brauchbarer Karten selbst kartographiert. Wo soll Platz für so viele Menschen sein – die auch Land brauchen und Arbeit? Das kultivierte Land ist besetzt, das Brachland unfruchtbar, der Wald gesetzlich geschützt. Oder will man Wald roden? Abgesehen von den ökologischen Schäden und der nötigen Gesetzesänderung, müsste man auch die Baumstümpfe entfernen, die Wasserversorgung und Infrastruktur sichern usw. Wer soll das bezahlen? Ich bin sicher, dass die Menschen mit allem weitgehend allein gelassen würden. Die Regierung will neue Dörfer aufbauen. Ich nehme an mit den typischen Ziegelhäusern der Regierungshilfe, schön uniform – jedoch für Adivasi-Ansprüche nicht geeignet. Unzählige solcher Häuser stehen unbewohnt herum. Sie sind aus Sicht der Stammesleute schlecht belüftet und zu feucht. Die Koyas ziehen in der Regel ihre mit Holz und Dung bzw. Lehm gebauten und mit Blättern oder Gras gedeckten Häuser denen von der Regierung gestellten vor. 277 Dörfer – wer die Gegend kennt, schüttelt den Kopf. Wo sollen die ortsnah je wieder aufgebaut werden?
Was noch versinkt? Die erst in den letzten Jahren entstandenen Schulen, kleine Hospitäler und Medizinstationen, Kirchengebäude und Tempel. Letztere wurden zum Teil erst kürzlich errichtet. Die Hindupartei BJP hatte dafür gesorgt, dass sogar in Koyda ein Tempel errichtet wurde. Das Geld dafür wurde über die ITDA (Integrated Tribal Development Agency) bereitgestellt, die es eigentlich für die Entwicklung der Stammesbevölkerung ausgeben sollte. Nun, jetzt werden auch diese kleinen Kunstwerke versenkt, dazu auch jener multireligiöse Tempel in Perentapalli, nur wenige Schiffsminuten von Koyda entfernt.
Die rechtliche Lage
Die rechtliche Lage, vor allem die Landgesetze sind kompliziert. Das von den Adivasis bewohnte Land gehört niemandem direkt, also kann der Staat darüber verfügen. Allerdings steht es unter besonderem gesetzlichem Schutz und kann beispielsweise nicht verkauft werden. So gibt es auch keine Marktpreise für dieses Land. Wenn der Staat ein Projekt durchführen will und dazu Land einsetzt, muss er die Zustimmung der örtlichen Behörden und Adivasi-Vertretungen einholen (Art.5 der Verfassung in der 73. Erweiterung [Amendment]). Das Gesetz verlangt außerdem eine umfassende Informationspflicht. Beides ist bisher nicht geschehen. Selbst die ITDA in Bhadrachalam und andere Institutionen in dieser Region haben die Informationen bis zum Sommer 2005 nur aus der Zeitung bekommen.
Die sich am Markt orientierenden Landpreise unterhalb des Staudammes sind inzwischen bereits enorm gestiegen (was bei der Finanzierung noch nicht einberechnet wurde!). Die Preise für das zu entschädigende Land im Stauseebereich kann der Staat eigenständig festlegen, da dieses Land ja nicht verkäuflich und es dafür folglich gesetzlich keinen Markt gibt. Also setzt der Staat möglichst niedrig an. Wieder werden besonders die vertriebenen Adivasis die Verlierer sein, selbst wenn sie eine ordentliche Abfindung bekommen. Vor allem gilt das, wenn sie Land außerhalb der geschützten Flächen zugewiesen bekommen. Dann ist dieses neue Land dem Zugriff der Nicht-Adivasis ausgesetzt und der gesetzliche Schutz greift nicht mehr. Für die Umsiedlung gibt es eine von der Landesregierung von Andhra Pradesh 2005 verabschiedete Richtlinie (Resettlement and Rehabilitation Policy). Sowohl für die Waldgebiete, die dem Stausee zum Opfer fallen, als auch für Wald, der für die verlegten Dörfer gerodet wird, muss das Schutzgesetz für „reserved forest“ angewandt werden. Auch hier ist ein Ansatzpunkt für den Widerstand.
Der Widerstand
Unter anderem aufgrund von Berichten von Umweltbehörden hat der Oberste Gerichtshof für den Weiterbau des Projektes grünes Licht gegeben. Diese werden jedoch von den Gegnern des Projektes in Frage gestellt und als völlig unzureichend bezeichnet. Selbst das Delta des Godavari und dessen Flora und Fauna sei betroffen und darüber gebe es noch keine Untersuchungen. Außerdem werden Studien über langfristige Folgen für die Bevölkerung der neu besiedelten Gebiete und deren Infrastruktur gefordert. Unterdessen arbeitet die Regierung in Hyderabad engagiert an der Umsetzung, von den beiden Parteien TDP (Telugu Desam Party) und BJP (Bharatiya Janata Party). Allerdings hat sich nach dem 27. Oktober 2005 und der Meldung „Grünes Signal für Polavaram“ der Widerstand verstärkt formiert. Erst jetzt sind die bis dahin nicht oder kaum informierten Adivasis selbst aktiv geworden. Die Aktivistin Medha Patkar hat sich zu Wort gemeldet und ihre Organisationen mobilisiert (Narmada Bachao Andolam [NBA] und National Alliance of Peoples Movements). Auch einige Kulturverbände erheben Einspruch, vor allem wegen der zerstörten Tempelanlagen). Die CPI (Communist Party of India) bemüht sich um eine starke parlamentarische Opposition und stellt sich auf die Seite der Adivasis. Kirchliche Institutionen (Good Samaritan Evangelical Lutheran Church [GSELC]) haben sich mit der Adivasi Girijana Parishad und anderen kleineren Stammesorganisationen zusammen getan. In Deutschland sind inzwischen diverse Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, auf das Projekt aufmerksam geworden. Was noch fehlt ist eine wirklich umfassende internationale Aufmerksamkeit.
Fazit
Primäres Ziel des Widerstandes ist die Verhinderung des Polavaram -Projektes. Es gibt Alternativen zu diesem Großprojekt, wo Ergebnis und Preis (finanziell, menschlich und ökologisch) nicht in einem derartigen Missverhältnis stehen. Der Schutz von Minderheiten muss vor Fortschritt und wirtschaftlicher Entwicklung stehen. Sollte sich die Regierung von Andhra Pradesh mit dem Projekt jedoch gegen allen Widerstand durchsetzen, so muß die Öffentlichkeit in Indien und in aller Welt genügend Druck aufbauen, damit die Opfer nachhaltig entschädigt und wirtschaftlich abgesichert werden.
Quellen
The Feasibility Report of Polavaram , 1999 (National Water Development Agency)
Samatha Report June 2005 (Samatha ist eine auf dem Feld von Lobbying und „Advocacy“ anerkannte Nicht-Regierungsorganisation) (samatha@satyam.net.in)
Vertraulicher Bericht für die Regierung vom September 2005 (Agricultural Finance Corp.Ltd.)
Diverse Zeitungsartikel (z.B. www.thehindu.com) ab 26.Oktober 2005
Gespräche mit Koya-Adivasi aus der GSELC Ende Oktober 2005
Recherchen über deutsche Adivasi-Organisationen und im Internet
Kontakt/Autor:
Hermann Brünjes (HBruenjes@t-online.de)
http://www.fmd-online.de/indien/polavaram
Hermann Brünjes ist tätig beim Freundeskreis Missionarische Dienste Hanstedt (Niedersachsen), einer Partnereinrichtung der im Polavaran-Gebiet beheimateten Good Samaritan Evangelical Lutheran Church.
Stoppt den Polavam-Staudamm
Faltblatt des Kampagnen-Bündnisses, 2006: Adivasi-Koordination, Andheri-Hilfe Bonn, Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW), FIAN Deutschland: Stoppt den Polavaran-Staudamm. Die Menschenrechte der indischen Ureinwohner sichern – die Umwelt schützen.